Ein Abschluss

Zwei Freundinnen mit Blumensträußen

Es gibt dieses Bild von der Kindergartenfreundschaft, die ein ganzes Leben lang hält. Durch dick und dünn. Wenn man dem romantisierten Bild Hollywoods glaubt, vielleicht sogar die einzig wahre Freundschaft.
Das ist ein Ideal, das für mich immer unerreichbar war. Unerreichbar ist – immerhin pflege ich keinerlei Kontakt mehr zu meinen Kindergarten-Freundschaften. Und ich beneide sie, die Menschen, die eine solche Freundschaft vorweisen können. Mir ist es nicht vergönnt. Aber vielen anderen auch nicht, das scheinen wir bei all der Hollywood-Romantik oft zu vergessen.

In meinem Leben waren Freundschaften bisher immer nur von begrenzter Dauer. Ein paar Jahre haben sie mich begleitet und danach nicht mehr. Die meisten endeten leise, haben sich einfach verloren, so wie die nach der Grundschule, wie die nach dem Abi. Manche endeten aber auch mit einem großen Knall.

Du warst eine davon und es tut heute noch immer ein bisschen weh, wenn ich daran zurückdenke.

Ein paar Jahre hatten wir gemeinsam den Spaß unseres Lebens. Unsere Leidenschaft war es, König der Löwen zu schauen und dazu Baileys Creme zu löffeln. Im Unterricht haben wir nebeneinandergesessen und uns gegenseitig mit blöden Sprüchen so hochgeschaukelt, dass früher oder später eine von uns unweigerlich in lautes Lachen ausbrechen musste – und dann in Erklärungsnot vor der jeweiligen Lehrperson geriet.

Wir haben einander die Haare beim Kotzen gehalten, wenn eine zu tief ins Glas geschaut hatte. Wir haben die Feste gefeiert, wie sie fielen und nur selten etwas ausgelassen. Und bei Liebeskummer war die andere natürlich immer sofort zur Stelle.

Bis es auf einmal nicht mehr so war.
Bis du auf einmal aufgehört hast, mit mir zu reden. Von einem auf den anderen Tag.
Ohne Erklärung.

In jedem Kurs hast du dich von mir weggesetzt. An den Wochenenden war ich nicht mehr willkommen. Und ich? Ich habe die Welt nicht mehr verstanden.
Wahrscheinlich hätte ich das Gespräch suchen müssen, hätte die Vernünftige sein müssen. Aber mit 18 Jahren ist man trotzig und vor allem war ich zu sehr verletzt in meinem Stolz, um einen Schritt auf dich zuzugehen. Über eine gemeinsame Freundin habe ich noch erfahren, dass ich – deiner Aussage nach – „arrogant geworden“ sei. Und da dachte ich natürlich: Gut, wenn deine Meinung sowieso klar ist, dann gebe ich ihr eben recht. Wie unreif. 

Heute würde ich ganz anders handeln. Ich habe dir die Schuld an allem gegeben, dass alles kaputt gegangen ist. Denn von unserer Fünferclique haben sich sehr schnell fast alle auf deine Seite geschlagen. Obwohl ich doch unschuldig war! Rückblickend war ich das sicherlich nicht. Zumindest nicht völlig. Aber ich habe mich so unfair behandelt gefühlt. Du warst nicht gesprächsbereit. Ich aber auch nicht. Die einfache Antwort ist selten die richtige. 

Ein halbes Jahr später, als ich inzwischen zum Studieren in eine andere Stadt gezogen war, da wagte ich dann doch den Versuch. Auf Sicherheitsabstand sozusagen. 
Ich verfasste eine lange Whatsapp-Nachricht, in der ich erklärte, dass ich immer noch nicht verstehen würde, was passiert war. Dass ich mich verletzt fühlte. Ich erwartete keine Entschuldigung, eine Erklärung hätte mir gereicht. Eine Erklärung, warum ich von einem auf den anderen Tag zur persona non grata geworden war. Alles was ich wollte, war verstehen. 

Doch auch hier habe ich mich wohl ungeschickt ausgedrückt. Zu frisch war noch der Schmerz.
Deine Antwort war scharf. Ich würde mich wohl für etwas Besseres halten. Das wäre auch der Grund gewesen, warum du schon ein halbes Jahr zuvor den Kontakt zu mir abgebrochen hast. Woran du das wohl festgemacht hast? Du hast mir keine konkreten Ereignisse genannt, bei denen ich mich so verhalten habe. Aber ich habe mich auch nicht mehr getraut zu fragen. Manchmal ist Unwissenheit besser, weniger schmerzvoll. 

Das war unser letzter Kontakt. Seither habe ich meinen Frieden damit gemacht, dass unsere Freundschaft zwar vorbei, aber unvollendet ist. 
Ich weiß nicht, wo du heute bist, was du machst, ob du glücklich bist. Ich hoffe es für dich. Das tu ich wirklich. Mir fehlt eine Erklärung, mir fehlt ein Abschluss. Aber ich will keinen Groll mehr hegen und vielleicht … vielleicht ist das hier mein Abschluss. Du wirst es nicht lesen, denke ich. Doch für mich macht das keinen Unterschied. 

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