Zuhause vorm Spiegel entscheide ich mich für den kurzen Rock. Weil ich’s fühle heute Abend. Ich mag, wie meine Beine in der Strumpfhose aussehen und, dass der breite Bund meine Taille betont.
Als ich im Zug sitze bereue ich die Wahl.
Eine Gruppe betrunkener Fußballfans sitzt gröhlend und Bier trinkend in meinem Wagen. Ich vermeide jeden Augenkontakt und in meiner Spiegelung in der Fensterscheibe stelle ich fest, dass mein Rock schon ziemlich kurz ist.
Da hat das Patriarchat ja ganze Arbeit geleistet. Eine Gruppe betrunkener Männer triggert in mir sofort alle Mechanismen, die Frauen und Mädchen von klein auf eingetrichtert bekommen: zeig dich nicht zu freizügig, biete keine Angriffsfläche, keine Provokation. Weil ich davon ausgehen MUSS, dass mindestens einer von ihnen – beim Weg an mir vorbei auf die Toilette oder wenn er zufällig meinen Blick auffängt – irgendwas versuchen wird, pöbeln wird oder schlimmeres. Ich muss davon ausgehen, weil die Erfahrung die Angst bestätigt.
Als der Zug schließlich im Bahnhof einfährt, tue ich etwas, das ich sonst selten tue: ich begebe mich bereits Minuten vor dem endgültigen Halt in Richtung Ausstieg. Damit andere Menschen zwischen mir und der Gruppe Männer stehen, damit niemand von denen direkt hinter mir steht.
Ich hasse jede Sekunde davon. Hasse die Situation, hasse meine Reaktion darauf, aber hasse auch ihre Berechtigung.
Und ich werde trotzdem weiter kurze Röcke anziehen.
Ein Kommentar zu “Kurze Röcke (Gedanken)”
Bedenklich. Danke für den Beitrag.