02/2023 – Kaffeedate?

Tagebuchgeschichten

Am Donnerstag arbeite ich von 8 bis 18 Uhr mit einer halben Stunde Mittagspause dazwischen. Dann geht es nach Hause, etwas essen und kurz frisch machen. Dann ins Theater – ausnahmsweise mal als Freizeitvergnügen und nicht als Pflicht.

Am Freitag muss ich nicht arbeiten, aber dennoch früh aufstehen, zwei Stunden Fahrt mit Auto und Bahn, um eine Stunde ein Gespräch über eine potentielle berufliche Zukunft zu führen. Dann den selben Weg wieder zurück. Abends ein bisschen Me-Time eingeschoben und samstags wieder auf die Arbeit für einen halben Tag. Familien, zu laute Kinder, ständig springen. Und nebenbei aufpassen, dass ich mich beim Wechselgeld nicht verrechne.

Um 12 Uhr lese ich die Nachricht auf meinem Handy: „Ich treff mich später mit R. auf einen Kaffee, magst du dazu kommen, wenn du frei hast?“ Ja, liebend gerne. Aber ich kann nicht. Bin einfach durch.

Es ist nicht so, dass ich die letzten Tage besonders stressig fand oder ich irgendetwas davon absolut ungern gemacht hätte, im Gegenteil. Die meisten Aktivitäten beruhten schließlich auf Freiwilligkeit. Irgendwann ist bloß einfach der Akku leer. Deswegen lautet die ehrlich Antwort: Ja, ich würde liebend gerne dazukommen, aber ich kann einfach nicht. Ich kann nicht mehr socialisen, wenigstens nicht mehr dieses Wochenende. Mein Bedürfnis ist es, nach der Arbeit in meine Sportsachen zu springen und ein paar Gewichte zu heben.

So ist das mit dem Introvertiert-Sein. Und ich bin so dankbar, dass ich das inzwischen gelernt und verinnerlicht habe. Noch vor wenigen Jahren hätte ich ohne zu Zögern zugesagt auf so eine spontane Einladung – aus Angst davor, jemanden vor den Kopf zu stoßen und/oder etwas zu verpassen. Ich hätte das mit Bauchschmerzen getan, weil ich schon gewusst hätte, dass etwas in mir sich gegen diese Zusage sträubt, aber ich hätte es nicht richtig einordnen können.

Noch vor wenigen Jahren hätte ich ohne zu Zögen zugesagt, weil ich meine eigenen Bedürfnisse nicht nur immer hinten angestellt habe, sondern sie oft auch gar nicht klar und deutlich erkennen und benennen konnte.

Ich bin so dankbar für dieses Learning und die Entwicklung, die ich gemacht habe. Und dafür, dass ich mich heute mit Menschen umgebe, die Verständnis dafür haben. Denn letztendlich läuft so ein Kaffee mit lieben Menschen ja nicht davon.

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