06/2023 – Arbeitslos

Tagebuchgeschichten

Standardfragebögen z. B. für Krankenkassen fragen einen immer nach der Berufsbezeichnung. Meine lautet seit Montag „arbeitslos“.

Arbeitslos – das Wort klingt nach Versagen, nach nicht-richtig-Sein, nach Faulheit … Dabei könnte nichts weniger mit der Realität zu tun haben. Zwar habe ich mir das Ende meines letzten Arbeitsverhältnisses mehr oder minder bewusst ausgesucht, den Zustand der Arbeitslosigkeit aber eigentlich nicht. Ich habe viel dafür getan, dass er gar nicht erst eintritt oder zumindest von Anfang an zeitlich begrenzt ist.

Beides ist mir nicht gelungen. Und ja, das Gefühl des Versagens und nicht-richtig-Seins wird dadurch verschlimmert. Aber warum denke ich das eigentlich?

Die Wahrheit ist, ich würde von niemand anderem, der sich ein, zwei Monate Auszeit und Ruhe gönnt, so denken, wie ich es von mir derzeit tue. Die Wahrheit ist, dass ich weiß, dass der Wert eines Menschen nicht durch seine Arbeit definiert wird – und trotzdem immer wieder selbst in diese Denkfalle tappe.

In den letzten hundert Jahren haben wir es als Gesellschaft geschafft, aus unserer Erwerbstätigkeit unsere Daseinsberechtigung, unseren Lebenssinn abzuleiten. Und ja – wenn ich schon bis ins hohe Alter 40 Stunden pro Woche arbeiten muss, um mir eine Wohnung und Essen und ein halbwegs gutes Leben leisten zu können, dann soll mir diese Arbeit wenigstens Freude bringen.

Aber das heißt nicht, dass sie mich als Menschen ausmacht.

Das Problem ist, dass Arbeitslosigkeit nicht vorgesehen ist. Jede*r die*der sich schon einmal mit dem System und seinen Anträgen, Fristen und Auflagen auseinandersetzen musste, weiß das nur zu gut. Das System lässt dich deutlich spüren: Du bist ein Problem für uns, eine Last.

Und so versuche ich langsam meine Denkstrukturen zu ändern, indem ich mich erstmal selbst austrickse: Ich bin nicht arbeitslos, ich arbeite nur eben nicht gegen Geld. Nämlich an mir und für mich, an meiner (mentalen) Gesundheit und meiner Resilienz. Ich bin nicht arbeitslos, ich bin in einer Umorientierungsphase, ich bilde mich weiter. Ich bin nicht arbeitslos, ich gönne mir nur eine Pause.

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